Ein Mann fährt weg und kommt an

Warnhinweis: Dieser Beitrag kann auf empfindliche Personen belastend wirken!

Weitere Hinweise über diese Reihe finden Sie in unserem Blogbeitrag Vorwort Spielerreportagen.

Sie musste immer ein wenig lächeln, wenn ihr Mann ins Auto stieg und sehr ernst sagte: „Ich
muss jetzt los und …“

Damals, als er noch spielte, wurde er sehr zufällig auf diesem einsamen Feldweg gefunden.
Der Kopf auf das Lenkrad gesunken. Die Autofenster mit Tesafilm akribisch abgedichtet. Bis
auf diese kleine Stelle, wo der Schlauch die Abgase ins Wageninnere leitete.

Damals lächelte sie nicht. Auf der Intensivstation. Sie lächelte auch später nicht wirklich,
wenn sie ihn in der Suchtfachklinik besuchte. Nicht mal in der Selbsthilfegruppe, zu der
Beide später gingen. Angst vor seinem Rückfall hing wie ein Damoklesschwert über all ihrem
Lächeln, das sie eher als schmerzendes Verkrampfen ihres Gesichtes fühlte.

Und natürlich wurde er rückfällig! Aber diesmal wurde er auf keinem Feldweg gefunden und
sie fand sich nicht hilflos vor einem medizinisch verkabelten Restmenschen wieder.

Sicher, er hatte wieder gespielt. In der Imbissbude. Diesen Fünfer in den Kasten gesteckt,
nebensächlich, gewohnt … und umgehend wie ein Irrer mit dem Handballen auf die
Rückgabetaste gehämmert als das erste Spiel begann. Er wartete nicht mal darauf, bis sich
dieser Kasten schwerfällig bequemte, das Rückgeld auszuspucken. Er stürmte einfach los. Zu
ihr. Nach Hause und schrie: „Ich habe gespielt! Ich habe wieder gespielt. Lass’ uns reden.
Lass’ uns verdammt noch mal reden. Ich habe eine solche Scheiß-Angst!“ Und in diesem
Moment fühlte sie zum ersten Mal in ihrer Beziehung: „Wir könnten es schaffen!“

„… wenn ich auf dem Weg einen Unfall haben sollte – Du weißt: Ich liebe dich.“

Sie lächelte immer noch. Ihr Lächeln, Ausdruck ihres Vertrauens, ihrer tiefen Zufriedenheit –
und wohlige Wärme durchflutete sie, weil sie seine Worte fühlte.

Nachtrag:
Ihr Mann fuhr zu einem Vortrag beim SPD-Ortsverein in Ahlen, einer der vielen Vorträge, die
er in den letzten sechs spielfreien Jahren gegen Glücksspielsucht halten konnte.