Suchtfachliche Mängel bei Informationsmaterial in Spielstätten

Hinweise für Mitarbeitende von Ordnungsämtern

Laut § 6 Glücksspielstaatsvertrag 2021 sind Glücksspielanbieter, einschließlich der Betreiber von Spielstätten, zur Bereitstellung von Informationsmaterial verpflichtet. Solches Material hat den Zweck über Glücksspielrisiken und Glücksspielsucht aufzuklären und zu informieren. Aus suchtfachlicher Sicht muss es daher zwingend eine fachliche korrekte Darstellung der Risiken der Glücksspielteilnahme, des Krankheitsbildes Glücksspielsucht und der Folgen einer Glücksspielsucht enthalten. Auch muss das Material eine direkte Inanspruchnahme von Hilfeangeboten nahelegen, und darf keine Wege nahelegen, die eine Verzögerung oder unnötige Hürde darstellen. Leider weist das in der Praxis eingesetzte Infomaterial in den genannten Punkten oftmals deutliche Mängel auf, so dass es aus suchtfachlicher Sicht die Anforderungen der Aufklärung und Information nicht erfüllt. Es kann daher nicht als Informationsmaterial angesehen werden. Im Folgenden werden einige dieser Mängel dargestellt.

Verharmlosung der Glücksspielteilnahme

Eine Form von Mängeln ist die Verharmlosung der Glücksspielteilnahme. Beispielsweise wird behauptet, Glücksspielen sei selbstverständlicher Teil des menschlichen Lebens, was Harmlosigkeit suggeriert. Diese Behauptung widerspricht den Fakten: Die 12-Monats-Prävalenz der Teilnahme an mind. einem Glücksspiel in 2021 lag bei lediglich 29,7 % (Buth et al. 2022: 5). Das heißt: Gut 70 % der Bevölkerung haben in 2021 an keinem einzigen Glücksspiel teilgenommen.

Eine ähnliche Form der Verharmlosung sind Darstellungen, denen zufolge Glücksspiele ein (weitgehend) harmloser Freizeitspaß seien. Zwar entwickelt insgesamt gesehen nur ein relativ kleiner Teil der Glücksspielerinnen und -spieler eine Glücksspielproblematik. Jedoch variiert das Suchrisiko bei verschiedenen Glücksspielformen deutlich. Zu den besonders gefährlichen Angeboten im terrestrischen Bereich zählen gewerbliche Geldspielgeräte, Automaten in Spielbanken und Sportwetten. Insbesondere hier besteht ein erhebliches Suchtrisiko und es kann nicht die Rede von einem (weitgehend) harmlosen Freizeitvergnügen sein. Solche Behauptungen haben deutlich mehr mit Marketing als mit angemessener Aufklärung zu tun.

Verharmlosung des Krankheitsbildes

Darüber hinaus finden sich immer wieder verharmlosende Darstellungen über das Krankheitsbild Glücksspielsucht selbst. Unter anderem werden die Folgen der Glücksspielsucht als Begleiterscheinungen bezeichnet, was einen Kausalzusammenhang verschleiert. Auch werden verharmlosende Begriffe für Glücksspielprobleme wie übermäßiges Spielen, mehr spielen, als man sich leisten kann, etc. verwendet anstelle der Fachtermini pathologisches Glücksspielverhalten oder Glücksspielsucht. Mitunter finden sich falsche Behauptungen über die Chronizität oder Dauerhaftigkeit einer Glückspielsucht oder -problematik. Etwaige Darstellungen im Infomaterial, Glücksspielprobleme könne man bereits nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle haben, wenn man eine Beratungsstelle aufsucht, widersprechen sämtlichen fachlichen Erkenntnissen.

Unnötige Hürden

Eine weitere Form von fachlichem Mangel besteht darin, dass in den Materialien die Kontaktaufnahme zu sog. Präventionsberaterinnen und -beratern nahegelegt oder empfohlen wird. Diese Personen sind nicht Teil des Hilfesystems, sondern arbeiten für Dienstleister der Glückspielanbieter. In der Regel sind sie auch nicht vor Ort, sondern es müssen Termine vereinbart werden. Hier wird der fachliche Standard missachtet, dass im Infomaterial klar und eindeutig eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Hilfesystem ohne jegliche Verzögerung empfohlen wird. Das gleiche Problem besteht, wenn im Material ein Gespräch mit dem/der Sozialkonzeptbeauftragten der Spielstätte empfohlen wird.