110 | Neues aus der Glücksspielforschung: Digitalisierung und süchtiges Verhalten – Ein Update
Neues aus der Glücksspielforschung: Digitalisierung und süchtiges Verhalten – Ein Update
Technologischer Fortschritt, das Internet und Digitalisierung sind aus unserer Lebens- und Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Über 90% der Personen in Deutschland nutzten im Jahr 2021 das Internet zumindest ab und zu, über 80% mittels mobiler Endgeräte wie Smartphones oder Tablets. Online-Shopping, Kommunikationsdienstleistungen, virtuelle Realitäten, personalisierte Internetsuche, Tele-Medizin oder Streaming-Angebote bestimmen mittlerweile den Alltag sowie das Freizeit- und Konsumverhalten in einer Weise, die noch vor einigen Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Digitale Arbeitsplätze, Filterblasen, Fake-News, YouTube-Stars mit großer Reichweite („Influencer*innen“) und klassische Leit- und Printmedien mit schwindendem Einfluss stellen nur einige der zukünftigen Herausforderungen an unsere zunehmend individualisierte und heterogene Gesellschaft dar. Der Gegenstand der Glücksspielsucht blieb von den technologischen und gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten Jahre nicht unberührt. Internetglücksspiele sind neben einer steigenden Nachfrage in der Allgemeinbevölkerung auch für vulnerable Zielgruppen wie z.B. Minderjährige oder Personen mit früheren glücksspielbedingten Problemen an sieben Tagen in der Woche und zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar, ohne dabei auch nur das Haus verlassen zu müssen. Intensive Werbemaßnahmen über zahlreiche Kanäle flankieren das umfassende Angebot.
Auch in der Glücksspielsuchtberatung fordern Probleme durch Internetglücksspiele seit Jahren zunehmend ihren Raum, z.B. durch hohe Verschuldung innerhalb kurzer Zeiträume. Seit dem Jahr 2021 regelt ein aktualisierter Staatsvertrag in Deutschland das Glücksspielwesen grundsätzlich neu, unter anderem durch die Schaffung einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde der Bundesländer und durch die Konzessionsvergabe für den legalen Betrieb von Internetglücksspielangeboten wie Lotterien, Sport- und Pferdewetten, virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele. Zeitgleich mit der umfassenden Legalisierung des Angebots erschweren Innovationen auf der Produktseite wie Smartphone-Apps für mobile Börsenspekulation, Wetten auf E-Sports-Ereignisse, die „Gamblification“ (Glücksspielelemente in Videospielen) und die „Gamification“ (Aufnahme zusätzlicher Geschicklichkeitskomponenten in klassische Glücksspiele) die präzise Unterscheidung für Nutzerinnen und Nutzer, Präventions- und Beratungseinrichtungen sowie Regulierungsbehörden. Prominente Beispiele hierfür sind unter anderem „Lootboxen“ (Beutekisten mit virtuellen Gütern und zufälliger Zuteilung in Videospielen) oder die Möglichkeit des Glücksspiels mit virtueller Währung innerhalb von Demoversionen, Videospielen, Apps oder sozialen Netzwerken („Simuliertes Glücksspiel“). Virales Marketing für derartige Produkte durch Live-Streams von Youtube- oder Twitch-Stars und zielgerichtete Ansprache durch algorithmisierte Werbung („Targeting“) korrumpieren zunehmend das Ideal einer informierten und selbstbestimmten Konsumentscheidung, insbesondere bei vulnerablen Personenkreisen. Normalisierung von Glücksspielinhalten und erschwerte Selbstkontrolle sind nur einige der möglichen Folgen, auf die sich das Hilfesystem zukünftig einstellen sollte.
Ziel der Veranstaltung ist es, anhand ausgewählter Produktbeispiele einen Überblick über die Herausforderungen der Digitalisierung für die Glücksspielsuchtberatung zu geben und gemeinsam Pro und Contra alltagspraktischer Hilfestellungen in Beratung und Prävention zu diskutieren, wie etwa Sperroptionen, Einzahlungslimits, Früherkennung, Beteiligungsgrenzen oder kontrollierten Konsum.
Termin: 24.04.2023, 09:45 – 17:00 Uhr
Teilnahmepunkte für landesgeförderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in NRW: 4
Teilnahmegebühr: 30 € für Teilnehmende aus NRW / 60 € für Teilnehmende außerhalb von NRW (incl. Pausenverpflegung, Gebühr wird vor Ort entrichtet)
Referent: Tim Brosowski (Dipl. Psych., Uni Bremen)
Veranstaltungort: Jugendgästehaus Bielefeld
Hermann-Kleinewächter-Str. 1
33602 Bielefeld
Anreise: https://www.jugendherberge.de/jugendherbergen/bielefeld-626/lage-und-anreise/
Zielgruppe: Mitarbeiter*innen / Suchtberater*innen / Selbsthilfe Beratungslehrer*innen / Schulpsycholog*innen / Schulsozialarbeiter*innen
- Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.
Details
- Datum:
- April 24
- Zeit:
-
09:45 - 17:00